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Öko-Produkte aus der Region

„Regional ist das neue Bio“ hört und liest man immer wieder, als handelte es um eine Entweder-Oder-Entscheidung. Dabei wäre genau die Mischung aus beidem wünschenswert, nämlich mehr Bio aus nächster Nähe. Überzeugten Öko-Kunden geht es schließlich nicht nur darum, unbelastete Lebensmittel zu genießen, sondern auch um den Schutz von Klima und Ressourcen. Was wäre da sinnvoller als heimische Produkte, die auf umweltfreundlich kurzen Wegen in den Handel kommen und nebenbei noch die lokale Wirtschaft stärken?

Bayern ist in dieser Hinsicht recht gut unterwegs. Schon 2012 hat der Freistaat das Landesprogramm „BioRegio Bayern 2020“ ins Leben gerufen, das unter anderem mit attraktiven Öko-Prämien die Umstellung schmackhaft machen soll. Denn nur wenn Bayerns Bio-Höfe wachsen, kann das politische Ziel erreicht werden, das Angebot an hiesigen Öko-Erzeugnissen bis 2020 tatsächlich zu verdoppeln. Im Dezember vergangenen Jahres zählte das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – kurz StMELF – bereits 8.000 Bio-Bauern, die gemeinsam eine Fläche von 260.000 Hektar bewirtschaften, und mehr als 3.000 Verarbeiter, die aus ihren Rohstoffen rundum bayerische Öko-Produkte herstellen. Um diesen Mehrwert für den Verbraucher sichtbar zu machen, wurde 2015 das Bayerische Bio-Siegel eingeführt. „Geprüfte Qualität Bayern“ verspricht es – und die ist im Gegensatz zu vielen anderen vermeintlichen Regionalsiegeln auch tatsächlich drin. Produkte mit dem neuen Zeichen dürfen nur aus Zutaten bestehen, die in Bayern auf ökologische Weise angebaut und verarbeitet werden. Und zwar nicht etwa nur nach EU-Bio-Standard, sondern orientiert an den hohen Maßstäben, die Öko-Verbände wie Naturland, Demeter oder Bioland setzen. Ein mehrstufiges Kontrollsystem, das von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft LfL überwacht wird, sorgt dabei für die nötige Sicherheit vom Anbau bis in den Laden. Dort sieht man das Bayerische Bio-Siegel immer öfter auf Milchprodukten, Brot und Eierschachteln ebenso wie auf Senf- und Honiggläsern, Fleisch-, Gemüse- oder Nudelverpackungen.

Bio-Qualität aus Bayern

Regionalität spielt auch für die Bäckerei Schubert eine wichtige Rolle, die von Augsburg aus Naturkostfachgeschäfte und Reformhäuser in Schwaben, München und Oberbayern mit ihren Broten und Kleingebäcken beliefert. Damit die Rohstoffe, die dafür benötigt werden, immer die gleiche hohe Qualität haben und in den richtigen Mengen verfügbar sind, arbeitet der Familienbetrieb mit insgesamt neun Bioland-Bauern im Umkreis von maximal 80 Kilometern zusammen. Um die Anbausaison immer optimal planen zu können, werden mit ihnen im Vorfeld feste Abnahmemengen und Preise vereinbart. Ist das Getreide dann reif, wird es frisch geerntet von der Landshuter Meyermühle abgeholt und dort in den gewünschten Mahlgraden verarbeitet, beziehungsweise als gereinigtes Korn in die hauseigene Vollkorn-Mühle der Bio-Bäckerei geliefert. Die Wege vom Bauern über die Mühle in die Bäckerei bis zum Esstisch können auf diese Weise kurz und transparent gehalten werden. Diesen Mehrwert schätzen die Kunden, denn so wissen sie genau, wo ihr täglich Brot herkommt. Die Vorteile der Heimattreue gehen jedoch noch weit darüber hinaus: Die Wertschöpfung bleibt nämlich in der Region, und es werden wichtige Arbeitsplätze erhalten oder sogar neu geschaffen. Das wiederum gibt ländlichen Räumen neue Attraktivität und kann dazu führen, dass junge Leute gerne hierbleiben anstatt in den Städten ihre Zukunft zu suchen.

Fair beginnt vor der Tür

Dem Bauern nebenan die Stange zu halten ist in jeder Hinsicht richtig und wichtig. Denn immerhin ist es die Landwirtschaft, die Bayern erst das typische Gesicht gibt. Klatschmohn und Kornblumen in goldgelben Getreidefeldern, braune Kühe auf sattgrünen Weiden, bunt getupfte Blumenwiesen oder bewirtschaftete Almbauernhöfe inmitten der Berge: Das alles macht – nicht nur in touristischer Hinsicht – den besonderen Reiz des süddeutschen Bundeslandes aus und wäre ohne seine Bauern in Gefahr. Wenn man hört, dass allein von 2016 bis 2017 nach Angaben des Agrar Informationsdienstes ganze 5,6 Prozent der deutschen Milchviehhalter ihre Betriebe aufgeben mussten, stimmt das äußerst bedenklich. Können die Bauern hierzulande nicht mehr von ihrer Arbeit leben, entwickelt sich die Lebensmittelwirtschaft nämlich genau entgegengesetzt zu den Interessen der Verbraucher: hin zu mehr Importen von irgendwo und weg von heimischer Vielfalt. Naturland hat deshalb die Bresche geschlagen für einen Fairen Handel, der bereits vor der Haustür beginnt. Damit Bauern eine Zukunft haben, brauchen sie – nicht nur in den Ländern des Südens, sondern auch hier in Deutschland – faire Erzeugerpreise, verlässliche Handelsbeziehungen und soziale Verantwortung. Diese Aspekte wurden in den Naturland Fair Richtlinien ebenso festgeschrieben wie die Forderung nach regionalem Rohstoffbezug, gemeinschaftlicher Qualitätssicherung, gesellschaftlichem Engagement, Unternehmensstrategie und Transparenz.

Milch als bestes Beispiel

Die Molkerei Berchtesgadener Land gehört – ebenso wie die Hofpfisterei – zu den ersten Naturland Partnern, die diese freiwillige Zusatzzertifizierung nutzen. 1927 wurde sie als Genossenschaft gegründet und hat bereits 1973 die erste bayerische Bio-Milch auf den Markt gebracht. Waren es damals fünf mutige Bio-Bauern, sind es heute fast 500 Betriebe aus dem umliegenden Alpenvorland, die die Milch für das wachsende Bio-Sortiment liefern. Längst gehören auch Joghurt, Quark, Sahne, Butter und andere Molkereiprodukte dazu, und der Großteil ist nach den Naturland Fair Richtlinien zertifiziert. Dafür bekommen die Naturland Bauern seit Jahren den national höchsten Milchpreis von derzeit 53,69 Cent pro Kilogramm (brutto, Stand August 2017), der gleichzeitig den erschwerten Bedingungen einer Bio-Landwirtschaft in bergigen Regionen Rechnung trägt. Möglich ist dies unter anderem dadurch, weil die Genossenschaft – im Gegensatz zu anderen privaten Molkereien – alle erwirtschafteten Gewinne wieder ins Unternehmen investiert und mit dem Milchgeld an ihre Mitglieder ausbezahlt. Es gibt also keine Privatentnahmen, sondern der Erfolg kommt ungeschmälert den rund 1.800 Milchbauern und 400 Mitarbeitern zugute, die in der Molkerei einen sicheren Abnehmer und Arbeitgeber gefunden haben.

Bauern zum Anfassen

Wenn 53,69 Cent die Spitze ist – was verdienen dann andere Milchbauern? Wie viel ist die Arbeit wert, die ein Landwirt von der Aussaat bis zur Ernte leistet? Und was passiert, wenn schlechte Witterungsbedingungen wie im vergangenen Frühjahr die Ernte der Obstbauern ruinieren? Als Konsument – zumal aus der Stadt – kann man sich oft nur schwer in die Lage der Bauern hineinversetzen. Gleichzeitig zeigen Studien, dass sich viele heute mehr Nähe zum Erzeuger wünschen. Deshalb gibt es Initiativen, die beide Seiten zusammenbringen. Aus Frankreich ist zum Beispiel die Idee der Food Assembly nach Deutschland gekommen. Dabei stellen Gastgeber einen privaten oder öffentlichen Raum zur Verfügung, zu dem die Erzeuger – wie bei einem Wochenmarkt – an einem definierten Tag die vorher bestellten und bezahlten Erzeugnisse liefern. Beim Abholen ist zugleich Zeit für Fragen und Gespräche rund um den Öko-Landbau. Berlin ist mit 18 Standorten Spitzenreiter in Deutschland, aber auch in Bayern gibt es immer mehr Menschen, die dem guten Beispiel folgen. Die „Genussgemeinschaft Städter und Bauern“ baut in München durch Einkaufsgemeinschaften Brücken zwischen Bauern und ihren Kunden. Das Ziel dabei? Der Erhalt der kleinbäuerlich-handwerklichen Lebensmittelvielfalt in der Region. Und davon hat Bayern – noch – viel zu bieten.

Claudia Mattuschat

 

Tipps für öko-regionalen Einkauf in Bayern: